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Covid-19: Insolvenzantragspflicht bei UG, GmbH, GmbH & Co KG, AG, e.V. ausgesetzt

28. Apr 2020 News

Wann gilt es und wann gilt es nicht?

Das sog. Covid-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) ist rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft getreten und setzt unter bestimmten Voraussetzungen die Insolvenzantragsstellung des Geschäftsführers bzw. Vorstandes aus und begrenzt hierzu flankierend auch die Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zunächst bis zum 30.09.2020 und kann je nach Bedarf durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bis höchstens 31.03.2021 verlängert werden. Dies bleibt abzuwarten (Stand April 2020).


Voraussetzungen der Aussetzung:

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2-Virus, Covid-19-Pandemie, beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War die Gesellschaft nicht schon am 31.12.2019 zahlungsunfähig, wird zu ihren Gunsten gesetzlich vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, dass die Gesellschaft eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigen kann.

In der Praxis der Geschäftsführung einer kriselnden Gesellschaft bedeutet die Grenzziehung, ob nicht schon am 31.12.2019 Zahlungsunfähigkeit vorlag, dass der Geschäftsführer bzw. der Vorstand zur Beantwortung dieser Frage besonders sorgfältig prüfen muss. Denn bis zum 31.12.2019 gelten weiterhin die vom BGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Beurteilung des Vorliegens von Zahlungsunfähigkeit.

Die Praxis zeigt ebenso, dass die Geschäftsführer bzw. Vorstände die Kriterien von Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung in der Praxis häufig wohlwollend großzügig, jedoch schlichtweg falsch auslegen, was regelmäßig zur Organhaftung und somit zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers bzw. des Vorstandes sowie zu etlichen Anfechtungstatbeständen führt, die der Insolvenzverwalter später häufig bereits aus der Bilanz herleiten kann.
Will also der Geschäftsführer bzw. Vorstand einer kriselnden Gesellschaft nicht lediglich die spätere Arbeit des Insolvenzverwalters erleichtern und die Gesellschaft erfolgreich auch durch die Corona-Krise führen, ist eine insolvenzrechtlich kritische Betrachtung und Feststellung der Lage der Gesellschaft erforderlich. Hierbei sollte der Geschäftsführer bzw. Vorstand auch keinen fachlichen Rat scheuen.

Überschuldung bereits vor dem 31.12.2019 unschädlich

Lag vor dem 31.12.2019 lediglich Überschuldung, nicht aber auch Zahlungsunfähigkeit vor, führt dies nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 S. 3 COVInsAG zur gesetzlichen Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht. Fachlich gesehen überrascht dass durchaus, denn war die Gesellschaft bereits vor dem 31.12.2019 überschuldet, ist nach der historischen Faktenlage schlichtweg ausgeschlossen, dass die Insolvenzreife auf der frühestens im Januar 2020 eingetretenen Pandemie beruhen kann. Darin kommt jedoch eine gesetzgeberische Wertentscheidung zum Vorschein: Überschuldung ist insoweit also offenbar irrelevant, obgleich Überschuldung immer noch unverändert in § 19 InsO als Eröffnungsgrund besteht. Tendenz abnehmend: Bereits im Zuge der Finanzmarktkrise von 2008 hatte sich die Einschätzung des Gesetzgebers zum Tatbestand der Überschuldung grundlegend gewandelt. Durch Art. 5 FMStG war die Vorschrift durch Einfügung der Fortführungsprognose (überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fortführung) nicht nur entschärft, sondern gleich grundlegend angepasst worden. Gleichwohl argumentieren Insolvenzverwalter aber auch die höchstrichterliche Rechtsfortbildung des BGH dem entgegen immer noch hin zur Betonung der Bedeutung des Überschuldungstatbestandes. Bei Insolvenzverwaltern ist das materielle Interesse insoweit nachvollziehbar, während der BGH als oberster Hüter des Gläubigerschutzes lediglich konsequent anwendet, was die Insolvenzordnung immer noch inhaltlich vorgibt. Auch wenn indes die Distanzierung des Gesetzgebers von dem Eröffnungsgrund der Überschuldung nun auch mit dem COVInsAG sich fortsetzt, ist nach unserer Prozesspraxis vor Gericht immer noch eine unnachgiebige Überschuldungsgläubigkeit die Regel. 


Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit ist die neue super-elastische positive Fortführungsprognose

War die Gesellschaft bis zum 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, so bestehen nach dem neuen Gesetzeswortlaut automatisch und praktisch unwiderlegbar Aussichten auf Sanierung. Daraus folgt, was Überschuldung rechtlich noch nie dagewesen ist: Die Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 führt zum jeweiligen späteren Betrachtungszeitpunkt – gegebenenfalls also noch im September 2020 oder gar noch im März 2021 – zu einer Bejahung der positiven Fortführungsprognose. Das ist in der Tat ein echtes Geschenk, hat doch der BGH zuvor das Vorliegen der positiven Fortführungsprognose bei Überschuldung an ganz bestimmte und restriktiv auszulegende Tatbestandsmerkmale geknüpft (überwiegende Wahrscheinlichkeit des Gelingens aus Sicht eines sorgfältigen Geschäftsleiters, schlüssiges mittelfristiges Sanierungs- und Liquiditätskonzept, enge wöchentliche Finanzüberwachung etc.). Dieses seit 2008 geltende enge Korsett ist nun erst mal vom Tisch.

Nun gilt es lediglich, Aussichten zu haben, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Ganz ohne zeitliche Vorgaben. Die Aussetzung kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn keine Aussichten bestehen. Allerdings setzt das neue Gesetz ab dem 01.10.2020 oder, wie bei Verlängerung des Gesetzes, was zu erwarten ist, ab dem 01.04.2021 auch für Unternehmen, die von den Folgen der Pandemie betroffen sind, eine Insolvenzantragspflicht, wenn zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit weiterhin fortbesteht.

Immerhin: Während das Risiko einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der wirtschaftlichen Erholung des betroffenen Unternehmens in der gerichtlichen Praxis der Haftungsprozesses doch recht hoch ist, der Geschäftsführer bzw. Vorstand insoweit z.B. hinsichtlich seiner Entlastung voll darlegungspflichtig ist, will der Gesetzgeber wenigstens vorübergehend das Risiko der Fehleinschätzung großzügig vom Geschäftsführer bzw. Vorstand nehmen.

Auch kurzfristig für Sie erreichbar:

NZP-Anwalt Laszlo Nagy
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
T. 0911 93 600 90
E-Mail: laszlo.nagy@nzp.de

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