Schlichtungsverfahren bei Gesellschaftsstreitigkeiten
Ist nach dem Gesellschaftervertrag vor Klageerhebung die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zu versuchen, so ist eine ohne diesen Versuch erhobene Klage als derzeit unzulässig abzuweisen. Die Zulässigkeit lebt auch nicht wieder auf, wenn bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung das Verfahren durchgeführt wurde.
Die Gesellschafter der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG und der Insel Verlag GmbH & Co. KG streiten um die Zulässigkeit mehrerer Gesellschafterbeschlüsse. Nach den Gesellschaftsverträgen der Gesellschaften steht den Parteien der Gerichtsweg erst offen, wenn binnen zwei Monaten ein Verständigungsverfahren versucht worden ist. Darüber hinaus regeln die Gesellschaftsverträge, dass Klagen auf Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen binnen drei Monaten nach Zugang des betreffenden Protokolls erhoben sein müssen. Die Klage wurde erhoben, bevor das gesellschaftsvertraglich vorgesehene Verständigungsverfahren durchgeführt wurde. Gegen das erstinstanzlich teilweise zusprechende Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung vor dem OLG Frankfurt a. M. Nach Auffassung des OLG ist die Klage bereits unzulässig, da das in den Gesellschaftsverträgen vorgesehene Verständigungsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt wurde.
Bei der Gesellschaftsvertragsregelung handelt es sich um eine Schlichtungsklausel. Im Fall von landesgesetzlich vorgesehenen Schlichtungs- oder Güteverfahren geht das OLG Frankfurt a. M. mit dem BGH davon aus, dass der Einigungsversuch der Klageerhebung voraussehen muss. Eine bis zu diesem Versuch erhobene Klage ist als derzeit unzulässig abzuweisen. Die Zulässigkeit lebt auch nicht später auf, da der Sinn solcher Schlichtungsverfahren in der Entlastung der Justiz und der kostengünstigen und raschen Erledigung der Streitigkeiten liegt. Könnte ein Schlichtungsversuch noch nach Klageerhebung problemlos nachgeholt werden, ohne dass der Rechtssuchende Nachteile befürchten muss, so würde dieser Zweck nicht erreicht werden. Dasselbe gilt für vertraglich vorgesehen Schlichtungsverfahren: Auch diese haben nur dann einen Sinn, wenn durch das vorgesehene Schlichtungsverfahren die Erhebung einer Klage verhindert und ein Öffentlichwerdendes internen Konflikts vermieden wird. Die Schlichtungsklausel ist – insbesondere im Hinblick auf die aktienrechtlich vorgesehene und GmbH-rechtlich zumindest zuverlässigerweise zu vereinbarende einmonatige Anfechtungsfrist – nicht in Gesamtschau mit der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Anfechtungsfrist als unzumutbar, unbillig und daher unwirksam anzusehen. Insgesamt verbleiben dem Gesellschafter nämlich auch nach diesen Regelungen drei Monate, um über die Klageerhebung zu entscheiden, mag er auch nur etwa einen Monat Zeit haben, die Einleitung des Schlichtungsverfahrens voranzutreiben.
Praxishinweis: Das OLG Frankfurt a. M. hatte sich auch mit der Unterscheidung zwischen Schlichtungs- und Schiedsklauseln zu befassen. Während bei letzteren die staatliche Rechtsprechung ausgeschlossen wird, ist bei Schlichtungsklausel dem staatlichen Gerichtsprozess lediglich ein privates Verfahren vorangestellt. Die Unterscheidung der beiden Klauselarten gewinnt in der Gestaltungspraxis vor allem bei Formfragen Bedeutung: Während Schlichtungsklauseln formlos vereinbart werden, sieht § 1031 ZPO für Schiedsklauseln eine besondere Form.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 6.5.2014 – 5 U 11671 = BeckRS 2014, 09185
Quelle: NJW-Spezial 18/2014